Der Theaterbau und seine Veränderungen

Das Bielefelder Stadttheater habe ich schon in meiner Kindheit kennengelernt.

Mit unserer Schulklasse haben wir die Kinderaufführungen gesehen und der jährliche Besuch des Weihnachtsmärchens war in unserer Familie ein Ritual. Ob PETERCHENS MONDFAHRT, SCHNEEWITTCHEN UND DIE SIEBEN ZWERGE, HÄNSEL UND GRETEL oder wie sie alle hiessen ...

Ich liebte die Theateratmosphäre. Sie hatte etwas bezauberndes. Dieses Bezaubernde ging auch von dem Haus selber aus. Das Stadttheater Bielefeld wurde 1904 eröffnet und eine Ähnlichkeit der Fassade mit dem Theater des Westens in Berlin ist unverkennbar. Für die Architektur beider Häuser war der Berliner Architekt Bernhard Sehring verantwortlich.

Erst viele Jahre später habe ich erfahren, daß das Theater mit seiner bemerkenswerten Jugendstilfassade, so wie ich es seit meiner Kindheit kannte, schon lange nicht in seinem Urzustand gewesen war.

Die Innenräume, insbesondere der Zuschauersaal des Theaters und das Foyer im 1. Rang wurden schon 1937 umgebaut. Auf den weiter unten gezeigten Fotos erkennt man den verzaubernden Sternenhimmel und die barocken Stuckelemente an den Balkonen und am Bühnenportal.

Bei der 1960 abgeschlossenen Renovierung des Theaters verzichtete man auf die Wiederherstellung der Jugendstilfassade. Im Laufe der 1970er Jahre gab es zahlreiche Umbauten, zum 75-jährigen Jubiläum des Theaters 1979 wurde schließlich die Jugendstilfassade wieder rekonstruiert. 

Seit Ende der Spielzeit 2003/2004 war man fleißig im 100jährigen, denkmalgeschützten Stadttheater Bielefeld. Es wurde herausgerissen und gebuddelt und eingebaut, was das Zeug hielt. Sämtliche Bühnentechnik wurde erneuert und die Bühne verbreitert, auf Grund dessen das ganze Bühnenpotal den Archtektenideen und die daraus resultierenden Baumaßnahmen zum Opfer gefallen ist. Und wiederum wurde auch am Foyer und an dem Zuschauerraum gebaut - oder verbaut? Es gibt nun weniger Sitzplätze und ein Rang wurde entfernt, dafür wurde der verbleibende Rang vergrößert. Die Seitenränge wurden aus sichttechnischen Gründen total entfernt und dafür gibt es kleine "Schiffchen", die als Seitenrang an die Wand angebracht wurden. Aber worin besteht der Unterschied? Dann hätten ja auch die Seitenränge bleben können? Und dies, obwohl das Stadttheater Bielefeld und der Zuschauerraum auch nach seinem ersten Umbau unter Denkmalschutz steht. Oder stand? Nun stellt sich mir die Frage: Warum gibt es überhaupt einen Denkmalschutz? Es ist schon seltsam, wie schnell dieser aufgehoben werden kann. Mittlerweile wurde die Spielzeit 2006/2007 im neuen (aber wirklich schöneren?) alten Stadttheater eröffnet.

Der erste Umbau seit Eröffnung des Stadttheaters im Jahr 1904 betraf in der Hauptsache den Zuschauerraum und das Foyer. Dies geschah im Jahr 1937. Zu dieser Zeit wurde die Bühnentechnik auf den damaligen, neuesten Stand gebracht und im Zuschauerraum wurde der verzaubernde Sternenhimmel durch eine Kassettendecke mit zwei großen Kronleuchtern ersetzt. Sämtliche barocken Stuckelemente an den Balkonen und am Bühnenportal wurden entfernt. Die Neugestaltung der Wände und Balkone mit Holzelementen fiel sehr viel schlichter aus, dennoch hatte der Zuschauerraum wieder eine sehr schöne und theatergerechte Ausstrahlung erhalten.

Die Jubiläumsspielzeit 2003/2004 war dann die letzte, welche im alten Stadttheater zelebriert wurde. Ich hatte das Glück gehabt, in dieser letzten Saison noch die Oper MARGARETHE -FAUST- von Gounod sehen zu können. Die Karten hatte ich in einem Wettbewerb des Stadttheaters gewonnen. Somit hatte ich Gelegenheit, "mein" Bielefelder Stadttheater noch einmal in dem Zustand zu sehen, wie ich es kannte und mochte. 

Durch die mehrmaligen Umbauten des Bielefelder Stadttheaters hat sich nun auch wiederholt der Zuschauerraum verändert. Vielleicht interessiert Euch ein Vergleich mit den Zuschauerräumen und der Bestuhlung.

Das ursprünglich 1904 eröffnete Stadttheater hatte ein leicht ansteigendes Parkett mit zwei Rängen, wobei die mittlere Zone des zweiten Ranges amphitheatralisch nach oben erweitert war. Seitlich der Bühne lagen die Proszeniumslogen, die vom Parkett bis zum zweiten Rang reichten. Die Balkonbrüstungen waren geschwungen. Der Zuschauerraum bot insgesamt 933 Sitzplätze. Das Parkett hatte 5 Logen und 19 Reihen. Der erste Rang besaß 5 Logen und 5 Reihen, der zweite Rang hatte 6 Reihen, die amphitheatralische Verlängerung 5 Reihen. Mit den damals noch vorhandenen Stehplätzen fanden 1000 Menschen Platz im Stadttheater.

Nach dem Umbau 1937 gab es noch 775 Sitzplätze. Die Stehplätze fielen gänzlich weg. Das Parkett, welches im Bielefelder Stadttheater immer "Sperrsitz" hieß, stieg wiederum etwas an, es hatte 16 Reihen. Im ersten Rang gab es vier Reihen, die Seitenränge des ersten Ranges hatten 2 Reihen. Der zweite Rang war steiler ansteigend und hatte 8 Reihen, die Seitenränge des zweiten Ranges hatten 1 Reihe.

Nach dem jüngsten Umbau des Stadttheaters reduzierten sich die Sitzplätze und die Anzahl der Ränge. Das Platzangebot variiert zwischen 653 und 739 Sitzen. Das steiler ansteigende Parkett hat nun bei vollständiger Nutzung des Orchestergrabens für das Musiktheater nur noch 12 Reihen, bei Vorstellungen des Sprechtheaters 16 Reihen. Der Rang hat 14 Reihen.

Und zum Schluß noch einigen Außenansichten, die die vergangenen 100 Jahre des Bielefelder Stadttheater zeigen ...

Man war sich lange nicht einig, welche Farbe nun der Außenanstrich erhalten soll. Alte Originaldokumente fehlten wohl und anhand alter Postkarten konnte man schwer erkennen, wie das Stadttheater im Original ausgesehen hatte. Man ging davon aus, daß manche alten Postkarten nachkoloriert wurden und nicht die Originalfarbgebung zeigten. 

Bis zur letzten Neugestaltung des Theaters war der Außenanstrich passend zum genauso alten, neben dem Theater stehenden Rathaus, welches zusammen mit dem Theater so eine Art harmonisches "Ensemble" darstellte. Letztendlich entschied man sich nun aber für einen sehr hellen Grundton, die Ornamente farblich dazu passend abgesetzt.

Daß eine Renovierung / Modernisierung der Innenräume, insbesondere des Zuschauerraumes, unter feuer- und baupolizeilichen Auflagen auch behutsam funktionieren kann, hat das Stadttheater Fürth vorgemacht. Zum 100-jährigen Jubiläum dieses Theaters im Jahr 2002 wurden die im neobarocken Stil gestalteten Innenräume aufwändig saniert und in ihren ursprünglichen Zustand versetzt.

Schade eigentlich, daß für das Stadttheater Bielefeld nicht eine änlich spannende Lösung gefunden werden konnte.

Ich bin gespannt, ob sich meine Befürchtungen bestätigen, wenn ich das erste Mal für eine Opernaufführung das neue alte Stadttheater Bielefeld besuchen werde und den Zuschauerraum erblicke.

Nun liegt der spannende Moment schon wieder hinter mir. Ich habe mich sehr genau umgeschaut und Ihr könnt meine Eindrücke, sowohl Einwände als auch Begeisterung, auf der folgenden Seite nachlesen. Zudem habe ich ein kleines Fotoalbum eingerichtet, auf dem viele Details einiger Innenräume und kleine Schätze der Jugendstilfassade zu bestaunen sind.